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Das Phänomen jahrhundertealter Bäume

Eindrucksvoll, mächtig und majestätisch – seit Urzeiten besteht eine spezielle Verbindung zwischen Bäumen und Menschen. Und gerade um die grossen, jahrhundertealten Bäume schwebt eine Art kraftvolle und weise Aura, als ob in ihrem Umkreis die Zeit stillstehen würde. Über Generationen hinweg haben sie den Einflüssen der Zeit getrotzt. Gewaltig sind ihre Baumkronen, die Schutz wie auch Schatten spenden. Grosse dicke Baumstämme, weit ausgreifende Äste und knorpelige, tief in die Erde greifende Wurzeln vervollständigen das Bild: Jahrhundertalte Bäume üben magische Anziehungskraft auf uns aus. 

Der Mythos Baum und seine Geschichten

Historische und kulturelle Bedeutung

In der Tat besteht eine tiefe Verbindung zwischen Bäumen und uns Menschen. Vielfach besungen, liefern sie hinreichend Stoff für Geschichten, Gedichte, aber auch Mythen und Legenden. Der grosse und mächtige Weltenbaum Yggdrasil, zum Beispiel, soll gemäss nordischer Mythologie die verschiedenen Teile des Universums (himmlisch, irdisch und unterirdisch) miteinander vereinen. Die grünen Riesen werden oft auch vermenschlicht und als beseelte und fühlende Geschöpfe angesehen. In gewissen Kulturen ist sogar von sogenannten Baum- oder Waldgeistern die Rede und viele Völker pflegten den Baum-Kult, der diese Gewächse einzeln, in Gruppenkonstellation oder als heilige Haine verehrte. Alte Bäume wurden dabei speziell gehuldigt.  

Zudem kam bestimmten Baumgreisen eine zentrale Bedeutung als Versammlungspunkt, wie auch als Zeugen wichtiger Ereignisse zu. Meist thronte auf dem Dorfplatz oder einem Hügel nahe den Siedlungen ein stattliches Exemplar. Unter seinem Schutz fanden die Dorfbewohner zusammen, lauschten speziellen Ankündigungen und Geschichten oder wohnten Gerichtsverhandlungen bei. Auch dorfbezogene Bräuche und alte Traditionen wurden dort abgehalten. Linden oder Eschen wie auch Eichen besetzten unter anderem diese Rolle. Auf diese Bedeutung anspielend, tragen auch heute noch Gasthäuser Namen wie zum Beispiel «Zur Linde», «Zur Eiche» oder «Eschenhof».

Auf einem Hügel stehender alter Baum

Jahrhundertealter Baum, Herisau AR

Langlebige Geschichtsträger

Als Emblem von Langlebigkeit wie auch Kraft, ist die Rolle als Naturdenkmal wie auf sie zugeschnitten. In der Tat wurden und werden auch heute noch rege Gedenkbäume gepflanzt, die an ein markantes Ereignis oder eine Person erinnern. Ein beeindruckendes Beispiel dafür ist die rund 800-jährige Linde von Linn im Kanton Aargau. Gemäss der Legende wurde diese Sommerlinde vom letzten übriggebliebenen Linner Dorfbewohner zum Gedenken an die Opfer der Pest gepflanzt, als Garant dafür, dass die Pest nicht wieder ausbricht. Eine uralte Geschichte, die der Baum seit Generationen mit sich trägt!

Die Linner Linde, ein jahrhundertealter Baum

Die Linner Linde © Aargau Tourismus

Bereicherung des Ökosystems

Doch neben den kulturellen und historischen Aspekten der Baumveteranen, ist auch ihre ökologische Bedeutung von höchster Wichtigkeit: Alte Bäume sind unersetzliche Reservoirs für die biologische Vielfalt und unverzichtbar für das Ökosystem. Warum das so ist? 

Marienkäfer auf der Baumrinde

 

Dafür gibt es natürlich eine interessante Erklärung: Im Verlaufe der Zeit bilden sich Höhlungen, Risse, Spalten oder noch Rindenschürfungen im Baumstamm, wie auch Faulstellen und schlussendlich Totholz. Und gerade diese Entwicklung, bietet Insekten, Vögeln, Faltern oder noch Fledermäusen wie auch Pilzen, Flechten und anderen Pflanzen Lebensräume, die für die Biodiversität äusserst wertvoll sind. Je abwechslungsreicher die Oberflächenstrukturen, desto artenreicher sind diese Gewächse, die auch Habitatbäume genannt werden. Auch ein Blick unter die Erde spricht für sich: Unter den mächtigen alten Wurzeln tummeln sich unzählige Lebewesen. Solche ökologischen Nischen sind auf Jungbäumen nicht vorhanden oder zumindest weit seltener anzutreffen. Und selbst wenn der mächtige Baum abstirbt, ermöglicht er noch die Existenz von Leben! Mehr als 6'000 Tier-, Pilz- und Pflanzenarten, das heisst ungefähr ein Siebtel aller Arten in der Schweiz, sind auf Totholz angewiesen. Erstaunlich, nicht? 

Lebensraum der Eule im Baum

 

Die grünen Greise sind auch aussergewöhnliche Klimaschützer! Je imposanter die Baumkronen, desto grösser ist die Menge an Kohlenstoff (CO2), die die riesigen Baumkronen aus der Atmosphäre binden. Jahrhundertealte Bäume helfen somit auf besonders effiziente Weise das Klima zu regulieren, die Luftqualität zu verbessern wie auch Wasser zu absorbieren, zu speichern und zu filtern. Um einem solchen Riesen in seiner Leistung für die Umwelt gleichzukommen, müssten je nach Grösse gleich einige junge Bäume gepflanzt werden!

Eine riesige, alte Eiche

Die jahrhundertealte Eiche von Dorigny ©Fabrice Ducrest / UNIL

Das Verschwinden alter Wälder, unter anderem aufgrund von Siedlungs- und Flächenbedarf, ist daher besonders problematisch und besorgniserregend, gerade heutzutage wo die Auswirkungen des Klimawandels immer spürbarer werden. Junge Baumbestände werden oft schon früh abgeholzt (Wirtschaftswald) und können meist gar nicht mehr altersbedingte Strukturen ausbilden. So lautet die wichtige Botschaft: Schützt alte Bäume, damit auch sie uns schützen können!

Eine aussergewöhnliche Pflanze

In der Tat sind Bäume schlichtweg faszinierende Gewächse. Über Jahrhunderte strecken sie sich Jahr für Jahr immer mehr dem Himmel entgegen. Manche Bäume erlangen eine Höhe von mehr als 100 Metern und können je nach Breitengraden sogar mehrere tausend Jahre alt werden. Doch schon mit ein paar hundert Jahren auf dem Buckel, sind Bäume äusserst eindrücklich! Wie alt sie werden, hängt sehr stark von ihrem Standort auf dem sie gedeihen, wie auch von der Wasser- und Nährstoffversorgung ab. Bäume in der Stadt haben meistens eine geringere Lebenserwartung als diejenigen in der freien Natur.  

Ausschlaggebend ist auch die Art. So gibt es schnell wachsende Gewächse wie Erlen, Birken oder Weiden, die nur selten älter als 100 Jahre werden. Eichen, Linden oder Buchen hingegen gehören zu den langsam wachsenden Bäumen, die ein hohes Alter erreichen! Ihr Holz ist härter, sie sind daher widerstandsfähiger gegen Pilzbefall, Schädlinge wie auch Stürme. Die Europäische Lärche, eine aussergewöhnliche Nadelbaumart, kann je nach Standort ebenfalls sehr alt werden. Ihr besonders effizientes, weitausgreifendes Wurzelsystem gibt ihnen sicher Halt und versorgt sie mit den nötigen Nährstoffen. Gerade in höheren Gefilden fühlen sie sich am wohlsten. Ein schönes Beispiel ist der Lärchenwald im Wallis, wo zwischen 300 und 1000 Jahre alte Exemplare anzutreffen sind, darunter die vermutlich grösste Lärche von Europa, der «König von Balavaux». Ein Besuch lohnt sich!

Eine jahrhundertealte Lärche in den Bergen

Lärche in Balavaux, Gemeinde Isérables © Florian Bouvet-Fournier. 

Altersbestimmung

Wie wird eigentlich das Alter eines Baumes ermittelt? Es lässt sich generell an der Anzahl der Jahresringe ablesen. Jedes Jahr bildet sich im Stamm eine neue Schicht. Nun gut, aber wie funktioniert das, wenn der Baum noch steht? 

Jahresringe eines gefàllten Baumes

 

Generell gilt: Je höher und massiver ein Baum, desto älter ist er. Tatsächlich soll aufgrund des Umfangs und des Durchmessers das Alter der grünen Riesen hochgerechnet werden, indem das Resultat mit einem spezifischen Faktor (je nach Art des Baumes) multipliziert wird. Das Ergebnis ist jedoch wegen des schwankenden Wuchses von Jahr zu Jahr recht ungenau. Als präzisere Verfahrensweise gilt die Entnahme von Holzproben mit Bohrkernen, um die Ringe zu zählen (Dendrochronologie). Diese Methode ist bei Altbäumen jedoch nicht immer erfolgreich, da viele der grünen Riesen ab einem bestimmten Alter aufgrund von holzzersetzenden Pilzen innen hohl werden. Dann gibt es noch die Widerstandsmessung des Holzes mit einem Resistographen oder die Radiokohlenstoffdatierung, ein komplexes Verfahren, das von Forschern angewendet wird. Das Alter der Bäume zu bestimmen, ist keine einfache Sache. Ja, das Wesen des Baumes bleibt ungreifbar und lässt auch hier Raum für Spekulationen und Mystik!

Wertvolle, altehrwürdige Riesen

Eines ist sicher: Mit den Jahrringen wächst auch die empfundene Ehrfurcht gegenüber diesen grossen Gewächsen. Jeder jahrhundertealte Baum umschliesst seine eigene Geschichte, geprägt von den Konditionen, unter denen er gewachsen ist. Was wir in den Geschichtsbüchern lesen, haben die Baumveteranen möglicherweise miterlebt! Könnten sie reden, hätten sie wohl vieles zu berichten. Teil der majestätischen Natur, sind sie wichtige Zeitzeugen und ihr Erhalt ist bedeutend für künftige Generationen wie auch für die Gesundheit unseres Planeten.

Tiefe, starke Wurzeln eines alten Baumes