Geheimnisvolles Wasser, was erzählst du uns?
Stille Wasser sind tief sagt ein Sprichwort. In der Tat! Viele Sagen, Mythen und Legenden rund ums Wasser zeugen davon. Allen voran die Legende des Ungeheuers vom Loch Ness in Schottland! Die kennt ihr wahrscheinlich auch, oder? Niemand konnte ahnen, dass unter der ruhigen Seeoberfläche ein solch furchterregendes Wesen haust… Diesem Monster - mit der Zeit fast liebevoll Nessie genannt - wurden zahlreiche Erzählungen und Verfilmungen gewidmet.
Und welche fremdartigen Wesen hausen denn bei uns? Was hat es mit Schweizer Legenden, Sagen und Mythen rund ums Wasser auf sich? Viele dieser Geschichten sind beinahe in Vergessenheit geraten und bei weitem nicht so populär wie die Legende der lieben Nessie. Für uns sind sie jedoch speziell interessant. Warum? Sie handeln von Gewässern, Seen, Bächen oder Quellen, die wir entweder direkt oder vom Hörensagen kennen. Ein paar Kostproben gefällig? Tauchen wir in die Welt der Überlieferungen ein!
Tränensee oder Badewanne?
Es gibt viele schöne Seen und Gewässer in der Schweiz deren unergründbare Tiefen ein guter Schauplatz für wunderliche Geschichten sind. Wie zum Beispiel der bekannte Genfersee, da wimmelt es nur so von Sagen, Legenden und Mythen! Wer hätte das gedacht…
Wisst ihr, wie der Genfersee überhaupt entstand? Durch Alpengletscher? Nein, wie er wirklich entstand, meinen wir! Also, da gibt es zwei Versionen. Die einen - genauer gesagt die Waadtländerinnen und Waadtländer - erzählen, dass vier Engel über das Gebiet zwischen dem Gletscher und dem Jura sowie über dasjenige, das von den Rochers-de-Naye bis zur Einmündung der Arve in die Rhone reicht, wachten. Eines Tages erreichte sie der Befehl von oberster Instanz, sie müssten nun nach Norden ziehen. Die vier Engel waren untröstlich, vor allem der eine. Er weinte so sehr, dass das Rinnsal der alten Rhone anschwoll und das Ausmass eines grossen Sees annahm: Der Genfersee war geboren.
Die Genfer Bevölkerung hingegen glaubt an die Legende des Riesen Gargantua, der bei seiner Reise nach Italien in die Gegend kam. Als er durstig wurde, machte er sich auf die Suche nach Trinkwasser. Er stiess auf die Rhone, aber das Flussbeet war zu klein! So begann er zu graben, bis das Loch genug gross war, um seinen Durst zu stillen. Und man sagt, dass er sogar noch weitergrub, bis er sich darin baden konnte! Auf diese Weise schuf Gargantua den Genfersee und mit den Steinen und dem Sand, die er aus dem Loch geholt hatte, den Mont Salève.
Ja, auch Legenden und Sagen widersprechen sich. Und was glaubt ihr? Waren es die Engel oder der Riese?
Segen oder Fluch?
Wasserfälle, Quellen und Bäche: eindrückliche Wunder der Natur. Den Rheinfall kennt ihr sicherlich. Aber habt ihr schon von den Legenden gehört, die ihn umgeben?
Man erzählt, dass beim Rheinfall ein junger Fischer auf seinem Boot eingeschlafen sei. Sein Kahn wurde von der Strömung erfasst: Aus dem Schlaf gerissen, konnte er nur noch «Hilf Gott, der Rheinfall» schreien, bevor ihn der tosende Wasserfall in die Tiefe zog. Oh Wunder: Er kam unversehrt davon! Als er übermütig von seinem Abenteuer prahlte, habe ihn ein unheimlicher Fremder zu einer zweiten Fahrt verleitet. Doch dieses Mal wurden Schiffer und Kahn von den schäumenden Wogen des Rheinfalles verschluckt. War es wohl gar der Teufel, der ihn dazu trieb, sein Schicksal herauszufordern? Wie es auch sei, Fischer berichten, dass man jeweils in mondhellen Nächten sieht, wie ein Geisterschiff erneut in grausiger Fahrt den Rheinfall runterschiesst. Ist das nicht schauerlich? Mächtige Naturelemente wie das Wasser sollte man nicht unterschätzen.
Urgeister auf Mission
Ist euch schon die Legende vom Pazolamännchen zu Ohren gekommen? Das ist der Hüter des mystischen Gebietes rund um die Rheinquelle, dem Tomasee im Kanton Graubünden. Bergsteiger und Wanderer sollen ihn wirklich gesehen und auch… gespürt haben! Schon so mancher Wanderer, der auf dem Weg zum Tomasee die geschützten Edelweisse pflücken wollte, wurde in den Finger gezwickt! Denn das kleine graue Männchen wacht über die Alpenflora und legt sich oft als Stein getarnt unter die Pflanzen. Was für ein pflichtbewusster Schutzgeist der Natur! Aber keine Angst: Ansonsten ist er vollkommen ungefährlich. Das trifft auch auf die Quellnixe Mariuschla zu. Sie sorgt einzig dafür, dass es in der Quelle nie an Wasser mangelt und füllt den See jeden Morgen mit den gesammelten Tautropfen. Faszinierend nicht?
Zugabe, Zugabe!
So viele wunderliche, schaurige und auch lehrreiche Geschichten gäbe es noch zu erzählen… Ja, unsere Schweiz ist voll von reissenden Flüssen, unergründlichen Seen, mystischen Bächen und Quellen, so mächtig und eindrucksvoll, so verzaubernd schön, dass sie Generation für Generation die Fantasie von Jung und Alt nährten. So entstanden Sagen und Legenden, oft als Erklärung für die Wunder der Natur. Aber nicht nur: Mit teils unheimlichen Geschichten wird auch vor Gefahren gewarnt. Und diese alten und beeindruckenden Geschichten wecken noch heute in Gross und Klein das Gefühl von Ehrfurcht sowie zeitweise ein leises Schaudern… spürt ihr es auch?
BIBLIOGRAPHIE
Histoires et légendes de Suisse, Adaptation von Christiane Pompéï, Editions Auzou, 2010.
Légendes et histoires du Léman, Christian Vellas, Editions Slatkine, 2016.
Maillard, M. 2016. « Le Léman, bassin de légendes », erschienen in La Côte, 7.11.2016.
Tatarczyk S. 2011. «Sage: Der Fischer am Rheinfall», Das Blogmagazin, 22.09.2011
URL: https://severint.net//2011/09/22/sage-der-fischer-am-rheinfall/ (Stand am 24.02.2021)
Die Sage vom Pazolamännchen
Die Quellnixe Mariuschla
URL: https://disentis-sedrun.graubuenden.ch/de/ferienregion-entdecken/rheinquelle (Stand am 24.02.2021)