Sorry, you need to enable JavaScript to visit this website.

In die Schule, fertig los!

Die Sommerferien sind zu Ende, schon seit Wochen drücken die Sprösslinge wieder die Schulbank. Drinnen. Nach einer Sommerpause, wo Kinder das Leben draussen genossen haben, in der Natur und in den Pärken herumstreiften, sich auf den Spielplätzen und bei anderen Outdoor Freizeitaktivtäten verausgabten, heisst es nun wieder: zurück ins Klassenzimmer! Für viele nicht gerade eine einfache Umstellung…   

Kinder auf dem Weg zur Schule

 

Verständlich, da in Klassenzimmern der Freiraum stark eingeschränkt ist und der Lärmpegel hoch sein kann. Die 20-minütige Schulpause genügt da nicht, um den Bewegungsdrang zu befriedigen und Luft abzulassen, denn in so kurzer Zeit heisst es Znüni essen, spielen, sich austoben. Und danach: wieder ruhig sein. Ist das denn im Interesse unserer Kinder und ginge Schule nicht auch anders?   

Unterricht im Klassenzimmer

Ab in die Natur!

Gerade hier setzt das Konzept von Waldkindergärten und -schulen oder auch Waldspielgruppen an. Ihr Unterricht im Freien sprengt die Grenzen der Klassenzimmer und des traditionellen Schulsystems und das schon seit Ende der 1990’er Jahre. Nicht alle Schulen oder Kindergärten setzen den Lehrplan ganzheitlich draussen um, es variiert, doch sind alle davon überzeugt, dass der enge Kontakt mit der Natur fundamental ist für die kindliche Entwicklung. 

Schüler balanciert auf einem Stamm

Lebensschule – Lernen mit und von der Natur 

Dank der angewandten Naturpädagogik erreichen viele Kinder, die im normalen Schulalltag Schwierigkeiten hätten, ihre individuellen Lernziele besser. Die Flexibilität, Vielseitigkeit und Freiheit in Naturräumen kommen den Kindern und auch ihrem Bewegungsdrang zugute. So fällt es ihnen auch leichter, sich konzentriert auf eine ruhige Tätigkeit einzulassen. Gerade Hyperaktivität oder andere Aufmerksamkeitsdefizite werden so reduziert, die Schülerinnen und Schüler beteiligen sich in der Regel stärker am Unterricht, sind motivierter dank positiver Lernerfahrungen! Sie lernen mit und von der Natur. 

Lernen mit und von der Natur

Naturerfahrungen wecken alle Sinne. ©Fanny Della Corte   

Wie sieht es denn mit den kantonalen Lernzielen aus? Die sind auch hier verbindlich und werden dank der optimalen Rahmenbedingungen erfolgreich erfüllt! Das Spiel als kindliche Lernstrategie, wie auch eine praxisorientierte Bildung im Gegensatz zu rein theoretischem Wissenserwerb hat sich in den Waldschulen bewiesen. Lernen ist nicht gleich Lernen! 

Schüler mit farbigen Blättern

Farben im Rhythmus der Jahreszeiten natürlich erlernen.  

Auf den Spuren grüner Bildungsmomente

Tatsache ist, dass es Ressourcen und Schulungen braucht, um den Unterricht im Freien jeden Tag sicher und lehrplangemäss zu gestalten, daher wird dieses ganzheitliche Konzept vor allem im Privatsektor angeboten. Die Institutionen werden von Kindern bis zur 2. Klasse (beziehungsweise 4. Harmos) besucht, danach erfolgt meist ein Übertritt in eine «konventionelle» Schule.  

Wie sieht es denn im öffentlichen Bildungssystem zum Thema Waldschule oder einem ähnlichen Konzept aus? Die gute Nachricht: Auch hier bahnt sich diese Idee seit ein paar Jahren einen Weg. Wenn auch die Umsetzung ein wenig anders erfolgt, sind hier ebenfalls äusserst positive Auswirkungen zu verzeichnen.

Schüler gehen in den Wald

Bildung für nachhaltige Entwicklung

Es war im Jahre 2002 als die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Dekade der Bildung für nachhaltige Entwicklung (2005-2014) ausgerufen hat, mit dem Ziel Themen wie globales Lernen, Gesundheitsprävention und Umweltpädagogik in die Lehrpläne zu integrieren. Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ist seither im schweizerischen Bildungssystem fest verankert, prägt die Schule als Ganzes und wird fächerübergreifend umgesetzt.  

Ja, aber wie? Jeder Kanton, jede Schule geht die BNE anders und in einem anderen Tempo an. Im Kanton Waadt zum Beispiel existiert seit 2020 eine «Cellule durabilité» (Stab für Nachhaltigkeit) und eine Delegierte oder ein Delegierter wird pro Lehranstalt damit beauftragt die Ziele der BNE umzusetzen. In der Schule Granges-prés-Marnand wurde Fabienne Bauer diese Position anvertraut: «Die öffentliche Schule muss flexibler werden und sich für Neues öffnen. Es reicht nicht aus, dass Schülerinnen und Schüler am Ende der Schulzeit lesen, rechnen und schreiben können. Kinder - und auch junge Erwachsene – müssen heutzutage eine andere Denkweise entwickeln, indem sie unter anderem Dinge hinterfragen und ihre eigenen Antworten finden. Ihnen nur Anweisungen zu geben, wie zum Beispiel: «Wirf das Papier nicht auf den Boden», genügt nicht mehr. Sie sollen sich fragen, warum sie es nicht machen sollen, was das für Folgen hat und ob ein Abfallkorb wirklich die beste Lösung ist.» 

Fabienne Bauer hat die Erfahrung gemacht, dass Kinder schon früh zu diesem Umdenken bereit sind und die Einbindung der Natur in der Tat sehr förderlich ist. «Wir werden lernen, mit Zahlen bis zwanzig umzugehen, wie willst du das machen?», fragt die Lehrerin. Die sechsjährigen Schülerinnen und Schüler arbeiten ihr Lernprogramm selbstständig aus: Sie wählen ihre Spiele und Arbeitsblätter, bestimmen ihre physische Position in der Klasse (sitzend, liegend usw.) und entwickeln anschliessend das Ziel praxisorientiert im Wald. «Gerade beim Unterricht im Wald oder im Freien werden fächerübergreifende Verbindungen hergestellt und wird dank vernetztem Lernen ein besseres Weltverständnis vermittelt. Die Resultate sind erstaunlich!», bezeugt Fabienne Bauer. 

Schüler klettert auf entwurzelten Baumstamm

©École Granges-près-Marnand, Fabienne Bauer 

Gestärkte Sozial- und Selbstkompetenzen

Bestimmte Klassen gehen in Granges-près-Marnand schon seit Jahren einmal pro Woche in den Wald. Als Nachhaltigkeitsreferentin berät Fabienne Bauer Lehrerinnen und Lehrer bei ihrer Zielsetzung für den Unterricht im Freien: «Arbeitsblätter wie im Klassenzimmer einfach draussen auszufüllen, bringt nicht viel, auch wenn frische Luft natürlich gesund ist!»  

Spielerisches Lernen in der Natur

©École Granges-près-Marnand, Fabienne Bauer   

«Draussen unterrichten», angelehnt an das Konzept der Waldschule, ist ein sehr effizientes Hilfsmittel, um das Konzept der BNE umzusetzen, wo überfachliche Kompetenzen im Mittelpunkt stehen: «Schon mit einem Tag im Freien oder im Wald können wir viel erreichen. Die Schüler stärken ihre sozialen Kompetenzen und meistern in der Natur - zumeist als Gruppe - viele Herausforderungen. Schon nach zwei Jahren Waldschule je einmal pro Woche verfügen sie über eine veränderte Denk- und Verhaltensweise und haben zum Beispiel das Grundvertrauen erlangt, dass es für alles eine Lösung gibt. Die Kinder sind auch viel gelassener, selbst wenn wir wieder im Klassenzimmer sind.»  

Schule und Wald: springendes Kind

Den Bewegungsdrang ausleben im Wald. ©École Granges-près-Marnand, Fabienne Bauer  

Auch Themen wie Konflikte auf dem Schulhof oder Mobbing, entwickeln sich im Wald völlig anders. «Die Schüler leben an diesem Tag in einer kleinen Gemeinschaft und richten untereinander Funktionsweisen ein, um Konflikte eigenständig zu lösen. Mal ist das Hilfsmittel ein magischer Stab oder ein Zauberwort, wichtig ist, dass sie alle zusammen als Gemeinschaft die Lösung finden, sich gegenseitig helfen, unterstützen und auch respektieren. Und es funktioniert!», freut sich Fabienne Bauer.    

Mit Stöcken und Erde spielen

©École Granges-près-Marnand, Fabienne Bauer 

Schützen, was man liebt

Fabienne Bauer ist überzeugt, dass Kinder durch den Unterricht im Freien lernen, den Wald, die Natur, die Tiere und die Pflanzen zu lieben: «Gehen sie eine engere Beziehung mit der Natur ein, werden die Kinder sie auch auf eine viel natürlichere Art und Weise respektieren und schützen. Auch das ist im Sinne der Bildung für Nachhaltigkeit.» Ist nicht gerade ein Wald in der Nähe, bietet ebenfalls ein ökologisch aufgewertetes Schulareal die Möglichkeit, sich für Biodiversität im Siedlungsraum einzusetzen und bildet eine Alternative zum Studium von Umwelt und Natur. Ferner können in Quartieren, Pärken, Wiesen oder naheliegenden Orten Aktivitäten stattfinden, fehlende Schulung und Ressourcenmangel sollen kein Hindernis darstellen: Hauptsache draussen! 

Schule und Natur: Tiere beobachten

Die Schule von morgen?

Schule und Natur: Eine gelungene Kombination, die alle Sinne stimuliert und einer der besten Wege ist, um die heutige Generation auf die Herausforderungen von morgen vorzubereiten. Denn gerade in der Natur werden die Weichen für einen sorgsamen und nachhaltigen Umgang mit der Umwelt und ein besseres Miteinander gestellt. Wenn das nicht im Interesse aller und besonders unserer Kinder ist?  

Draussen unterrichten: Schüler mit ihren Gummistiefeln