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Wer erinnert sich nicht an Grossmutters volle Einmachgläser? Regale davon voll standen im Keller, bereit die Gaumen mit leckeren Köstlichkeiten zu erfreuen. Fermentieren war das Geheimnis. Eine traditionelle Methode der Konservierung, die seit Jahrhunderten in den Küchen angewendet wurde: Überschüssiges Gemüse und Früchte aus den Gärten und Feldern wurde eingelegt, rohes Fleisch gepökelt, Milch zu Rahm und Butter verarbeitet und vieles mehr. Was die Erntezeit hergab, wurde für den Winter haltbar gemacht, Kühlschränke und -truhen gab es damals noch nicht.

jar with vegetables

Doch bald wurde diese uralte Technik von neuer Technologie überholt: Alles ist seither fixfertig rund ums Jahr im Supermarkt verfügbar, Lebensmittel können kühl gestellt oder eingefroren wie auch im Ofen getrocknet werden. Und doch: Es wird neuerdings wieder fleissig fermentiert! Denn neben dem praktischen Aspekt, werden auch die gesundheitlichen Vorteile neu entdeckt. Und macht ihr euch selbst an die Einmachgläser, ist viel Spass garantiert! Aber erfahrt zuerst, wie Fermentierung überhaupt funktioniert.

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Ein natürlicher und äusserst effizienter Prozess

Fermentieren ist ein Begriff, der verschiedene Konservierungsverfahren umschliesst:

  1. Die alkoholische Gärung, bei welcher vor allem Hefe eine grosse Rolle spielt
  2. Die alkalische Gärung, die durch spezielle Bakterien oder Schimmelpilze erfolgt.
  3. Die Essigsäure-Gärung, die mit Essigsäurebakterien und Zufuhr von Sauerstoff stattfindet.
  4. Die Milchsäure-Gärung.

Letztere ist weit verbreitet und hat zahlreiche Vorteile: Mikroorganismen, oft auf natürliche Weise schon auf dem Grundprodukt vorhanden, wandeln den vorhandenen Zucker und die Kohlenhydrate in Milchsäure um. Der pH-Wert des Lebensmittels wird dank den lebendigen Milchsäurebakterien gesenkt und das Milieu im Ferment wird saurer. Den schädlichen Bakterien wird die Lebensgrundlage entzogen und die Haltbarkeit der Nahrungsmittel so verlängert. Doch das ist nicht alles: Sie werden zudem verdaulicher und Geschmack wie auch Textur erleben eine vorteilhafte Veränderung! Gewisse Lebensmittel sind sogar ohne Fermentierung schlicht nicht geniessbar.

Kurz und gut, Fermentieren

  1. macht länger haltbar (Sauerkraut, Brot, Salami)
  2. macht Lebensmittel geniessbar (Oliven, Kapern, Vanille)
  3. wandelt Nahrungsmittel um (Käse, Miso)
  4. verhilft zu besserer Verträglichkeit (Sauerteig, Joghurt)

Ist das nicht faszinierend? 

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Aufwerten und verwerten durch Fermentation

Marieke Breugem, Ernährungsberaterin und Therapeutin für natürliche Gesundheit, ist die Gründerin von Flow Institute. Sie begleitet Menschen, damit sie über verschiedene natürliche Wege ihre Gesundheit verbessern wie auch ihre Energie optimieren können. Sie kennt sich mit fermentierten Lebensmitteln aus und lobt deren Vorteile: «Gerade in der Naturheilkunde wird die Energie, die Nahrungsmittel enthalten, angeschaut. Bei der Fermentierung entstehen lebendige Kulturen. Lakto-fermentierte Lebensmittel sind daher interessant, auch weil ihr Nährwertprofil aufgrund des Prozesses noch verbessert wird. » In der Tat, milchsaure Lebensmittel sind voller Nährstoffe (Vitamine, Mineralstoffe, Enzyme) und Probiotika für eine gesunde Darmflora.

a woman holds a jar with vegetables

Die Gesundheit profitiert davon: «Die Einnahme von probiotischen Bakterien schützt den Körper und hilft der guten Funktion der Verdauung und des Stoffwechsels, so kann er wichtige Nährstoffe aufnehmen. Die Gesundheit des Darm-Mikrobiom ist sehr wichtig, dank ihm werden sogar Vitamine und Serotonin im Verdauungskanal gebildet!» erklärt Marieke Breugem begeistert. Eine ausgewogene Darm-Mikrobiota ist tatsächlich ebenfalls mit dem mentalen Wohlbefinden verknüpft.

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Da Milchsäurebakterien das Verdauungssystem anregen, empfiehlt die Gründerin von Flow Institute: «Vor dem Essen ein paar Essiggurken oder unbehandelten Apfelessig zu sich nehmen, ist förderlich.» In ihrer Kindheit hat ein Getränk diese Funktion übernommen: « Ich komme aus Holland, dort habe ich als Kind zu den Mahlzeiten immer fermentierte Milch getrunken. Der Geschmack ist intensiv, ziemlich sauer, doch für uns ist es ganz einfach normal und wir mögen es. » Eine gesunde Variante den Durst zu löschen, die auch ein Mittel gegen Lebensmittelverschwendung war: « Früher wurden alle Reste verwendet. Bei der Herstellung von Butter oder Käse blieb diese Flüssigkeit übrig, die wurde dann eben als Buttermilch, das heisst gesäuerte Milch, getrunken. » Ein toller Denkanstoss!

Heisst die guten Bakterien willkommen!

Auch wenn die Zeit zum Selbermachen fehlt, hat Marieke Breugem gute Tipps parat, um fermentierte Lebensmittel im Alltag zu integrieren: «Es gibt ein paar gute Alternativen, wie die japanische Miso-Paste zum Beispiel! Ich gebe sie anstelle von Senf zur Salatsauce hinzu, was einen erstaunlich guten Geschmack ergibt. Kimchi, fermentierter koreanischer Kohl, kommt ebenfalls regelmässig als Beilage zu allen möglichen Gerichten auf den Teller. Ansonsten sind Tempeh, fermentierter Tofu oder die fermentierte Sojasauce Tamari auch sehr interessant! Nicht pasteurisiert, damit die wertvollen Bakterien noch vorhanden sind.»

Bei der Frage, ob es bei der Menge etwas zu beachten gibt, ratet die Therapeutin neben einem guten Trinkverhalten ganz einfach auf den eigenen Körper zu hören und sich Gutes zu tun: «Fermentierte Lebensmittel gleichen unsere Ernährung aus und bringen einen Mehrwert. Wir benötigen gute Bakterien, unser heutiger Lebensstil ist beinahe zu keimfrei. Doch der Magen muss sich erst an sie gewöhnen, daher langsam loslegen. Ansonsten gibt es jedoch nichts Besonderes zu berücksichtigen.»

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Kimchi, fermentierter koreanischer Kohl

Bakterien-Power in der Küche

Genug Theorie, her mit ein paar praktischen Rezepten! Beim Selbermachen fährt ihr nun mal am besten. Lasst es simpel angehen, sobald ihr euch an die Technik herangetastet habt, kann eine Prise Kreativität dazu kommen!

Zum Anfangen: Gemüse lakto-fermentieren in Salzlake. Mit einer bescheidenen Grundausstattung seid ihr hier schon dabei:

  • Sterile und hermetisch schliessende Glasgefässe (für ein anaerobes Umfeld)
  • Frisches knackiges Bio-Gemüse
  • Salz (ohne Jod, für das gute Wachstum von Milchsäurebakterien)
  • Wasser (frei von Chlor)
  • Fermentationsgewicht (damit das Gemüse in der Salzlake eingetaucht bleibt)

Die Etappen:

  1. Gemüse: in Stücke, in Scheiben schneiden oder raffeln. Kleinere Gemüsesorten wie Radiesli können ganz eingelegt werden.
  2. Zubereitetes Gemüse ins Glas füllen.
  3. Gewürze und Kräuter je nach Rezept oder Lust und Laune beigeben! Zum Beispiel Zwiebeln, Ingwer, Knoblauch, Senfkörner oder Lorbeerblätter.
  4. Mit Salzlake (20-30g Salz in 1 Liter Wasser auflösen) komplett abdecken, ansonsten Schimmelgefahr.
  5. Mit dem Gewicht bedecken und verschliessen.

Mindestens eine Woche bei Raumtemperatur stehen lassen. Einmal pro Tag das Gas entweichen lassen. Blubbert, schäumt und riecht es, sind die Bakterien aktiv an der Arbeit! Je länger fermentiert, desto intensiver der Geschmack! Zum Abbremsen des Prozesses, das Glas an einen kühlen Ort stellen. Und ganz im Sinne von Wiederverwendung: Den verbleibenden Saft der Fermente als Basis für Salatdressings verwenden oder ihn trinken.

 

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Und weiter geht’s mit Einsalzen

Was Spezielles: fermentierte Tomatensauce! In kleinen Mengen zu geniessen, diese Beilage hat Charakter!

Zum Rezept:

  • 500g Bio-Tomaten
  • 2- 3 Knoblauchzehen
  • Korianderkörner
  • 5 g Salz (ohne Jod)
  1. Tomaten in Stücken mit allen Zutaten in einer Schüssel vermischen.
  2. Glas füllen, zumachen.

Eine Woche bei Raumtemperatur stehen lassen, dann für zwei Wochen an einen kühleren Ort stellen (zum Beispiel in den Keller). Probiotisch, voll von Vitaminen und Mineralstoffen und Enzymen, probiert es aus!

Zum Abschluss noch ein tolles, koreanisch angehauchtes Rezept mit Obst!

Kimchi-Birnen

  • 500 g feste Birnen
  • Schalottenstreifen
  • 1 EL koreanische Chilliflocken (Gochugaru) oder Piment d’Espelette
  • 1 EL frisch geraffelter Ingwer
  • 1 gestrichener Esslöffel Salz
  • 1 EL Sojasauce Tamari
  • 1 gepresste Knoblauchzehe
  1. Birnen in Würfel mit dem Salz vermischen.
  2. 30 Minuten ziehen lassen, abtropfen.
  3. Mit Schalottenstreifen, Ingwer und Knoblauch mischen, Sojasauce und koreanische Chilliflocken oder Piment d’Espelette hinzufügen.
  4. In ein Glas für 500g füllen, hermetisch verschliessen.

Zwei Tage bei Raumtemperatur stehen lassen, anschliessend eine Woche in den Kühlschrank stellen und geniessen!

Hat euch die Fermentation in den Bann gezogen? Dann findet ihr auf Internet und den verschiedenen Sozialen Medien bestimmt weitere interessante Tipps und Informationen!

Natürliche Phänomene schlau genutzt

Von bunten Einmachgläsern zu Milch- oder Wasser-Kefir, Kombucha, feinen Getränken und vielem mehr: Mit der Fermentierung tut sich euch eine spannende Welt in Sachen Ernährung und Lebensmittelkonservierung auf! Und das alles basierend auf natürlichen Prozessen, die auch noch ressourcenschonend sind: Ohne Energiezufuhr Reste und Nahrungsmittel verwerten und sogar aufwerten, wenn das nicht grossartig ist!

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Probiotisches Getränk in einem Glas mit Scoby (Mutterkultur für Kombucha)

Für das Interview: Marieke Breugem, Therapeutin für Ernährung und natürliche Gesundheit

www.flowinstitute.ch, Der Lebensstil als Medizin